verlassen und vergessen...
Vergessenes Haus.
Der Schimmel, die
Feuchtigkeit, die Erde hat die Welt langsam zurückerobert. Im Keller
persönliche Sachen, Hefte, ein paar Papiere, viele
Gebrauchsgegenstände - schon total verrostet. Heiligenbilder mit
einem besonderen Segen des Papstes. Was bleibt? Eine Welt in der
Welt, die niemanden mehr interessiert. Hier wohnte einmal eine
Familie, war das Haus erfüllt mit Kinderlärm, vielleicht auch
Klatsch und Tratsch über Nachbarn... Vielleicht wurden hier
Krankheiten ausgestanden, Probleme gelöst. Doch es wurden auch
Kinder gezeugt, Mahlzeiten gekocht. In der Küche noch vergammelte
Salz- und Zuckerpackungen, Plastikteller im Gestell aus den 60-er
Jahren.
Das Leben dieser Familie in diesem Haus ist vorbei, die letzte Bewohnerin gestorben, bereits vor einigen Jahren. Nun beginnt das Leben der Mäuse, Käfer, Fledermäuse, Würmer die Welt zu erobern. Der Lichteinfall, die herabhängenden Tapetenreste, bilden fast sakrale Momentaufnahmen. Licht, Schatten, Dreckschichten wie zu einem Kunstwerk arrangiert.
Ich lasse alles wie es ist, staune, bin etwas berührt ab den
kleinen Zeichnungen an der Deckentapete, als ob sie persönlich für
jemanden angefertigt wurden.
Ich trete in das nächste
Zimmer, in dem ein altes, verrostetes Bettgestell noch am
angestammten Platz steht. Der Inhalt der einstigen Bettdecke ergiesst
sich über die Bettfläche und auf den Boden – verrotteter Flaum,
wie ein Sinnbild der aufgebrochenen Intimität, die nun zum Zerfall
verurteilt ist. Es wäre ein schönes Foto geworden, doch irgendeine
Scham hindert mich daran, dieses Bild festzuhalten. Es liegen noch
persönliche verrottete Kleiderstücke auf dem Fussboden im Dreck.
Alles in allem ein intimer Ort. Ich spüre diese intime Atmosphäre
und habe Respekt. Die „Heiligen“ sind hier die Menschen mit ihrer
persönlichen Geschichte, welche hier gelebt haben.
Da ist wieder dieser
Begriff der Würde, der in mir auftaucht. Jedes Leben hat eine Würde,
egal wie es zu beurteilen wäre. Eine Lebensgeschichte ist immer ein
aus Prozessen entstandenes Werk. Entstanden durch Einwirkungen,
Entscheidungen, Beziehungen mit der Umwelt. Ein vernetztes System,
was gesteuert werden muss, um seine innere Freiheit zu bewahren. Was
nach mir ist weiss niemand, was aus dem wird, was ich zurücklasse
kann ich nicht direkt steuern, aber ich kann es beeinflussen. Ich
kann Weichen Stellen, Regeln aufsetzen, meinen Willen mitteilen.
Zurück zum Haus. War es
das? Welche Würdigung kommt ihm noch zu? Wird es einfach immer mehr
zerfallen? Wird es zu Erde, der Inhalt zuerst und nach und nach auch
die Mauern?
Eigentlich sollte man auch
hier eine Art Pilgerstätte errichten. Der Mensch muss ab und zu
sehen, was mit ihm geschieht, wenn nichts geschieht. Memento mori.
Einen Moment innehalten,
beten, dass das, was ich hinterlasse nicht einfach nur zerfällt und
vergessen geht, sondern noch anderen Menschen dienen kann.
Eine Collage als Hommage
an die letzte Bewohnerin.
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