Point zero
Ich habe das Buch
„Point Zero“ von Michele Cassou wieder hervorgenommen. Ich fühle mich gefangen und blockiert in meinen eigenen Ansprüchen. Ich versuche, endlich meine gestalterische Identität zu finden, so dass ich meine Kunst besser verkaufen
kann. Wie krass ist das denn? So setze ich mich selber unter Druck.
Ich habe Angst davor, mit anderen Menschen arbeiten zu müssen, bevor
ich mich selbst gefunden habe. Nun fühle ich mich wieder verwirrt,
gehetzt, traurig. Ich fühle mich auch verletzt. Verletzt und
enttäuscht, weil meine Bilder nicht geschätzt werden. Ich gebe den
anderen Menschen so die Macht, über mich und meine Bilder zu
urteilen. Ich nehme es als persönliches Urteil und mache sie so zu
Herrschenden über Leben und Tod meiner Kreativität. Nun halte ich mir
Ohren und Augen zu, um nicht mehr daran zu denken, dass niemanden
meine Werke interessieren.
Warum denke ich nur so
krass? Also jetzt aber ab zu „Point zero“, dem Nullpunkt, an dem
wieder alles möglich wird!
Ich habe Angst, dass das,
was ich als nächstes zu malen beginne belanglos wird oder formlos
und mich wieder in die Verwirrung führt. Ich fühle mich überfordert
von den ständigen Entscheidungen und habe Angst vor dem Ergebnis.
Ich habe Angst vor meinen eigenen Emotionen, Angst vor der Art Selbstverletzung, dass ich es scheusslich und langweilig finde, was
ich mache.
Frage: Was würde ich
malen, wenn es ok wäre, wenn das Bild langweilig oder scheusslich
würde? Wenn es egal wäre, welche Entscheidungen ich treffe?
Das fühlt sich
schon viel besser an… ich beginne mit fliessenden Aquarellfarben,
bunt, leicht, flüssig das Blatt zu füllen. Nach dem Trocknen lasse
ich den Stift reden. Zarte, feine, zittrige „Fäden“ ziehen sich
übers Blatt. Es entstehen Figuren, einfache Formen, ein Netz von
zarten Linien. Wie gesponnene Fäden ziehen sie über die
Blattfläche. Mit Weiss verbinde ich einzelne Flächen wieder, um dem
Bild etwas „Halt“ zu geben. Arbeite noch ein wenig Formen heraus.
Es ist mir wichtig, dass es grosszügig geschieht, es darf
verschwimmen, die Farben und Linien bekommen somit ein „Eigenleben“.
Was bleibt sind etwas archaisch anmutende gefärbte Zeichnungen wie
aus der „art brut“. Mir gefallen sie gut, sie befreien meine
Emotionen… In ihrer Art sind die Bilder auch „klar“, aber in
ihrer Vielschichtigkeit.
Auch ich kämpfe oft gegen das Gefühl, nicht zu genügen (welchen Ansprüchen, mir selber gegenüber?), gegen meine Meinung, alle anderen seinen viel besser, das eigene Schaffen sei wertlos. Wie schön doch die Augenblicke, wenn es gelingt, die hemmenden «Schatten» zu vergessen und sich unbelastet über ein neues leeres Blatt zu beugen.
AntwortenLöschenSelbstquälerische Zweifel gehören bei der kreativen Arbeit anscheinend einfach dazu, bringen dich aber auch weiter, vielleicht nicht gerade heute, aber . . .
Ja, die Zweifel gehören tatsächlich immer wieder dazu und sind wichtig um zu merken was einem wirklich wichtig ist... Wir können nicht aufhören weiterzumachen also gehts immer wieder vorwärts! Danke, Erwin!
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